Aktionsforschung – ein Schlüssel zum Erkenntnisgewinn

Die Aktionsforschung zeigt in einer Reihe von Beispielen die Bedeutung der Genese unabhängig davon, ob es sich bei den Vertretern der Arbeitnehmer um betriebliche Akteure (z. B. Betriebsräte) oder außerbetriebliche Akteure bei Haustarifverträgen (z. B. Gewerkschaftsvertreter) handelt. Auch tarifliche Beispiele, wie die Erarbeitung des Entgeltrahmenabkommens-Tarifvertrag (ERA-TV) in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg, unterstreichen diesen Aspekt.

Der gemeinsame betriebliche Weg zum neuen Vergütungs- und Arbeitszeitsystem von „carexpert“, ist hier dokumentiert: [PDF carexpert].  Sie beschreiben, wie das aus einer Fusion und mehreren Zukäufen von Unternehmen mit sehr unterschiedlichen Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen entstandene mittelständische Unternehmen „carexpert“ ein neues gerechtes Vergütungssystem gestaltete. Am Ende des Weges, sieben Wochen nach einer intensiven und umfassenden, jeweils eintägigen Mitarbeiterinformation mit jeweils ca. 50 – 60 Mitarbeitern, unterzeichneten 98,4 % der ca. 400 Mitarbeiter die neuen Arbeitsverträge. Diese Verträge, die die unterschiedlich „gewachsenen“ bestehenden Arbeitsverträge ablösten, basierten auf den neuen einheitlichen Betriebsvereinbarungen für das Unternehmen „carexpert“. Ähnlich positive Erfahrungen bei der gemeinsamen Gestaltung eines von der Geschäftsführung und den Mitarbeitern als gerecht erlebten Vergütungssystems sammelte auch das Unternehmen „Platane 19“ in Berlin [PDF Platane 19]

Im deutschen Einzelhandel arbeiteten unter dem Label „Lernende Tarifpolitik“ Vertreter der beiden Arbeitgeberverbände des deutschen Einzelhandels (BAG und HDE), der Gewerkschaft ver.di, sowie Unternehmensvertreter beider Tarifvertragsparteien zusammen, um ein allseits als gerecht empfundenes Vergütungssystem zu erarbeiten. Die Begleitforschung hatten die Universität Trier, Lehrstuhl für ABO Psychologie, das Sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut in Göttingen und die Perspektive Eyer Consulting in Köln übernommen. Das neue Vergütungssystem sollte die Entgeltstrukturen des deutschen Einzelhandels aus den 1920er Jahren ablösen. Die aktuellen Tätigkeiten, denen ganz andere Arbeitsstrukturen, Technologien und Warenwirtschaftssysteme zugrunde liegen als 1920, waren die Grundlage der Gestaltung des neuen Vergütungssystems für Logistiker, Verkäufer und Kassierer im Einzelhandel. Die Umsetzung des inhaltlich quasi fertigen Vergütungssystems in die betriebliche Praxis ist nicht zuletzt an der Finanzierbarkeit (fehlende Wertschöpfung der Unternehmen) und dem Konkurs der Karstadt-Quelle-Neckermann-Gruppe im Jahr 2009, sowie des dazugehörigen Arbeitgeberverbandes BAG, gescheitert.

 

    gemeinsam erarbeiten – gerecht gestalten – fair anwenden